Liveimpressionen

Erstmalig hat sich Oswald Henke Ende 2004 auf eine Lesetour mit dem Namen »Tendenziell menschenverachtend oder nur trocken formuliert?« begeben. Er las aus seinem gesamten Repertoire und bot sowohl ironische Texte wie »Iphigenie«, aber auch bitterernste Lyrik wie »Zimmer 34«. Einige Kolumnen der »Henke trocken«-Reihe aus dem Orkus-Magazin durften nicht fehlen. Das Publikum war sehr nah an der Intensität des Geschehens dran und es zeigte sich, dass Oswald Henke seine Zuschauer auch losgelöst von der Musik fesselt.

Mit variierenden Leseprogrammen ist er seither regelmäßig live zu erleben. Im Mai 2008 präsentierte er ein innovatives, Livezeitkritisches Live-Theaterprojekt im Leipziger Schauspielhaus. Um künstlerisch vollkommen frei zu sein, inszenierte er das gemeinsam mit Markus Förster verfasste Stück »Zeitenwände« selbst. Das Stück führte das Publikum durch verschiedenste Zukunftsszenarien. Zeit bedeutet Wandel und »Zeitenwände« umschließen immer neue Räume, in deren Innerem sich teils bizarre Szenen abspielen, in denen Wissenschaft und Kirchen um das Recht der einzigen Wahrheit buhlen. Manipulation und die Faszination am Grauen sind zentrale Aspekte der Handlung.

Ärztlich attestierte, wahnsinnige Immigranten des Show- business führen die Zuschauer durch ein Experiment, das neue Mauern errichten - oder alte einreißen – kann, letztlich lag es bei jedem einzelnen, ob das Experiment gelang und was am Ende als Ergebnis herauskam. Das Stück regte den Zuschauer zum Nachdenken an über das, was zukünftig geschieht, oder vielleicht geschehen sollte. Möglicherweise birgt diese Auseinandersetzung ja auch eine Hoffnung für unsere Gegenwart?

Oswald Henke wandte sich immer wieder neuen Themen und künstlerischen Um- setzungsmöglichkeiten zu und ging bei den Liveinszenierungen - ob literarisch oder musikalisch – einen kompromisslosen Weg. Es lässt sich nicht vorhersagen, welche Eindrücke ein Auftritt von ihm hinterlässt. Mal ist die gesamte Stimmung von einer grotesken Düsternis gefangen, in anderen Momenten wirkt sie lebendig, frisch und amüsant.

Die Augenblicke der im Raum spürbaren Verletzlichkeit wechseln sich ab mit Rei- bungspunkten, bei denen Oswald Henke z.B. die Halbierung der 10 Gebote fordert, damit sich das Problem der überfüllten Hölle erledigt. Er intensiviert die Atmosphäre seiner Darstellungen durch den abwechslungsreichen Einsatz von Gestiken und Mimiken.

Dem Besucher eines Liveprogramms wird auf provokante Weise ein nachhaltiger Einblick in die Trauma- & Spiele-Welt von Oswald Henke gewährt. Zwar gibt es derzeit keine Konzerte von Goethes Erben mehr, dafür ist er mit seinen Projekten fetisch:Mensch und HENKE in regelmäßigen Abständen live zu erleben.